Nordirland
für Anfänger – Der 12. Juli: Feiertag und Volksfest zugleich
Der 12. Juli
ist schon immer für die Protestanten in Nordirland der höchste Feiertag des
Jahres. Gefeiert wird die „Glorreiche Revolution“ von 1688, wo in einer
Schlacht am Flüsschen Boyne in der Nähe von Dublin der protestantische König
Wilhelm von Oranien über den katholischen König Jakob II endgültig siegte
(1690). Die Farbe Orange spielt seitdem für die Protestanten auch eine ganz
besondere Rolle.
Traditionell
gibt es an diesem Tag überall in Nordirland Umzüge der sogenannten „Orange
Men“. Das sind Mitglieder der „Orange Orders“ und „Orange Lodges“, die es nach
Männern und Frauen getrennt hier in Nordirland durchweg sehr zahlreich gibt. Die
älteste dieser Lodges, nämlich die „Grand Orange Lodge of Ireland“, wurde 1798
gegründet. Diese Lodges sind übrigens keine paramilitärischen Organisationen,
sondern Vereinigungen streng gläubiger Protestanten. Am Sonntag unmittelbar vor
dem 12. Juli finden besondere Gottesdienste statt. Ungeklärt blieb leider meine
Frage, ob am 12. Juli bei den Umzügen nur mitmarschieren kann, wer auch an
jenem sonntäglichen Gottesdienst teilgenommen hat. Irgendwo hatte ich gelesen,
dass diese Orange Lodges nicht viel anders seien als der Fanclub eines
Fußballvereins, dessen Anhänger sich in Nostalgie schwelgen.
Die Paraden
(es handelt sich dabei um Märsche begleitet von traditionellen Musikkapellen, die
nach einzelnen Bezirken arrangiert sind) waren bis zum Ausbruch der „Troubles“ (so
wird der Nordirland Konflikt, der von 1963 – 1985 andauerte, im Englischen
genannt) ein gesellschaftlich durchaus respektiertes Ereignis, so etwa wie
Umzüge von Schützenvereinen in Deutschland. Mir wurde von vielen Menschen hier
erklärt, dass man immer sehr gerne zu diesen spektakulären Märschen gegangen
ist, um sich die Männer in ihren schwarzen Anzügen mit goldenen Stickereien verzierte,
orangene Schärpe über der Brust und schwarze Melone aus Filz auf dem Kopf
anzuschauen. Für den normalen Menschen hier waren diese Paraden immer ein Vergnügen,
ein Volksfest und in etwa vergleichbar mit Karneval. Es war das Ereignis des
Jahres schlechthin und es lohnte sich immer hinzugehen.
Während der
Troubles gerieten diese Umzüge dann aber immer mehr in Verruf und stießen bei der
katholischen Bevölkerung auch immer mehr auf Empörung und Ablehnung. Der seit
Jahrhunderten (friedlich) gefeierte 12. Juli wurde so zum Symbol für Gewalt und
konfessionellen Hass.
Bis heute
nutzen Splitterorganisationen, die sich mit dem Friedensprozess in Nordirland
nicht abfinden können, den 12. Juli für Gewalt und entsprechende
Ausschreitungen. Von den Medien für das Sommerloch entsprechend ausgeschmückt,
hört man dann nur wieder, dass es in der Hauptstadt Nordirlands, in Belfast, zu
brutalen Übergriffen gekommen sei, weil unbelehrbare Protestanten wieder einmal
mehr durch Wohngebiete von Katholiken marschiert seien. Kaum einer weiß
allerdings über die Hintergründe Bescheid. Belfast ist zum großen Teil wie ein
Flickenteppich aus protestantischer und katholischer Wohnbevölkerung
zusammengesetzt. Was viele Menschen wohl auch nicht wissen, ist, dass quasi
quer durch Belfast eine Mauer verläuft, welche die katholischen und protestantischen
Wohnviertel voneinander abgrenzt. Allerdings gibt es auch zahlreiche „gemischte“
Wohnviertel.
Traditionell
ist es so, dass die „Orange Men“ aus den einzelnen Wohnbezirken in Belfast am
12. Juli in Gruppen zur zentralen Veranstaltung hin marschieren. Das sind quasi
kleinere lokale Paraden auf dem Weg zum großen Umzug. Der Weg einer einzigen
dieser kleinen Gruppen führt an einer Geschäftszeile in einem katholischen
Wohnbezirk (Ardoyne) in Nord-Belfast vorbei. Es handelt sich dabei um weniger
als 300 Meter, an einer Hauptstraße gelegenen Geschäfte (also keine bzw. kaum
Wohnhäuser). Eine alternative Marschroute – da sind sich übrigens alle einig! –
ist gar nicht möglich. Und genau diese knapp 300 Meter sind jedes Jahr wieder
Ursache dafür, dass es in Belfast zu Gewalt und Ausschreitungen kommt.
Der 12. Juli 2015 (alles in English) -
http://www.bbc.co.uk/news/uk-northern-ireland-33499467?ns_mchannel=social&ns_campaign=bbc_newsline&ns_source=facebook&ns_linkname=northern_ireland
http://www.bbc.co.uk/news/uk-northern-ireland-33499467?ns_mchannel=social&ns_campaign=bbc_newsline&ns_source=facebook&ns_linkname=northern_ireland
Eine Parade in voller Länge (über 2 Stunden):
also wenn man sich deine Bilder so anschaut,sieht es echt nach Strassenfest mit Umzug aus,da ist es schwer vorstellbar das aus solchen Umzügen schon ziemlich heftige Auseinandersetzungen entstanden sind,hoffe du hattest aber einen schönen Tag;)
ReplyDeletemich würde ja die Tradition mit dem Feuer interessieren, wo kommt der Brauch her, ist er keltischen Ursprungs (bestimmt, denk ich)
ReplyDeletevielen lieben Dank, Carmen, für diesen schönen Beitrag
Vielen Dank für deinen Beitrag. Er ist sehr interessant.
ReplyDeletePS: Wenn das deine Lilie auf dem Bild ist (ich hoffe du bist mir jetzt nicht böse), der Pflanztopf ist zu klein.
Vielen Dank für den sehr informativen Bericht. LG Sabine
ReplyDeleteDanke für die Informationen. Besonders diese, dass es nur 300 unbewohnte Meter sind, die zu den heftigen TV-Bildern führen können. Dieses Jahr waren an den Bonfires Plakate mit Köpfen zu sehen (Tagesschau), das sah nicht freundlich aus.
ReplyDeleteAls Berlinerin kenne ich aber das Phänomen, dass am 1.Mai die Verwandtschaft anruft und frage, ob wir okay sind, weil in Kreuzberg einige Müllcontainer brennen und 30 000 Polizisten ihren Betriebsausflug in die Hauptstadt mit Aktivität krönen.