Saturday 30 April 2016

Die Taubensaison ist eröffnet



Ich weiß nicht wie viele Taubenvereine es in Nordirland gibt. Auch mein Lebensgefährte, ein passionierter Taubenzüchter seit seiner frühen Jugend, konnte mir keine genaue Zahl nennen. Fakt ist jedoch, dass das Taubenzüchten hier weit verbreitet ist und es in fast jedem Ort, sei er noch so klein, einen entsprechenden Club gibt. Der Taubensport ist hier – ähnlich wie in Deutschland im Ruhrgebiet oder in Belgien - Volkssport. 

Man sagt „Brieftauben sind die Rennpferde des kleinen Mannes“. Wie die wertvollen Rennpferde, werden auch die Brief- bzw. Reisetauben gehegt und gepflegt. Ich selbst bin zwar keine Anhängerin des Taubensports, aber ich lasse mir die Gelegenheit nicht entgehen, regelmäßig quer durchs Land zu fahren, um bei einem Bauer Korn für die lieben Täubchen zu kaufen. Sind die Tierchen krank werden sie mit der besten Medizin, die man kaufen kann, fit gemacht. Ihre Taubenschläge werden täglich gründlich gereinigt und besser instandgehalten als das Innere unseres Hauses. Manchmal wünschte ich, ich wäre eine solche Reisetaube – mir würde es an nichts mangeln und ich wäre sehr gut versorgt.


Nicht nur, dass das Hobby des Taubenzüchtens zeit- und geldaufwendig ist, aber manch eine Taube ist ein wertvoller Vogel, wenn sie seinem Besitzer nämlich Siegergewinne einbringt. Die Nachkommen solcher Tauben werden mit Liebhaberpreisen bis zu einigen Hundert Pfund Sterling gehandelt.

Alljährlich am zweiten Samstag im April startet in Nordirland die Taubensaison. Dann schicken die Züchter ihre Reisetauben auf Wettflüge. Im Frühjahr sind es die Alttauben und im Sommer dann die Jungtauben, also die, die am Anfang des neuen Jahres geschlüpft sind.


Nachdem jede einzelne, am Wettflug teilnehmende Taube penibel genau im Club registriert wurde, geht das Nervenspiel los. Insgesamt werden 30.000 Tauben wöchentlich in Reisekörben in einem LKW in Richtung Süden der Insel Irland gebracht, dort frei gelassen und müssen ihren Weg zurück nach Hause in ihren Taubenschlag finden.
Jede Woche wird die zurückzulegende Strecke länger: die Tauben werden nach England gebracht und zu guter Letzt nach Frankreich, von wo aus sie dann, um nach Nordirland zurückzukommen, zweimal über das Wasser fliegen müssen, nämlich einmal über den Ärmelkanal und einmal über die Irische See.

Sind die Reisetauben erst einmal Freitagabend „eingecheckt“, geht am nächsten Tag die ungeduldige Warterei auf Nachrichten los: Wann wurden die Tauben freigelassen und wann werden sie Zuhause ankommen, wie ist die Windrichtung, welche Gefahren (Unwetter oder Raubvögel) lauern auf der Flugstrecke? Da das angespannte Warten auf die Rückkehr der Tauben völlig abhängig von den Wetterbedingungen ist, kann es bei weit entfernten Wettflügen je nach Schlechtwetterlage sogar mehrere Tage dauern. 
Nach dem Motto „wer zuerst kommt, malt zuerst“ werden die Reisetauben bei ihrer Ankunft am Taubenschlag mit der Taubenuhr eingestempelt (das Prinzip ist vergleichbar mit einer Stechuhr). Dabei kommt es auf jede Sekunde an, denn auf die Gewinner warten lukrative Geldpreise und Auszeichnungen.
 

Zögern oder Unaufmerksamkeit des Züchters können den Sieg kosten. Es ist manchmal schon ein Nervenkitzel wenn eine Taube über dem heimatlichen Taubenschlag schwebt, sich aber nicht am Schlag niederlässt, damit man ihr den Gummiring vom Fuß abnehmen kann, um ihn schnell in die Uhr zu stecken. Erst wenn dieser Ring nämlich in der Uhr steckt, steht auch die Flugzeit fest. 
Inzwischen hat auch hier die digitale Welt Einzug gehalten, denn die Flugzeit wird jetzt per Computer gemessen. Eine für viele Züchter teure und unsportliche Angelegenheit.

Zwei Stunden nachdem die erste Taube eingestempelt wurde, treffen sich die Züchter mit den Uhren in ihrem Club, wo die Ankunftszeiten der Tauben registriert und verglichen werden, um die schnellsten Tauben und somit die Sieger zu ermitteln.



In der Zeit zwischen den wöchentlichen Wettflügen müssen die Reisetauben trainiert werden. Vor allem nach den Wintermonaten müssen die Vögel wieder an längeres Fliegen gewöhnt werden. 
 
Das ist einfacher gesagt als getan, denn auch dazu müssen geeignete Wetterbedingungen herrschen. Nichts ist schlimmer als wenn die Tauben während eines Trainingfluges z.B. in einen Hagelsturm geraten und nicht mehr nach Hause kommen. Schon manch ein Züchter hat in einem Jahr seine kleine Zucht ziemlich dezimiert oder gar verloren – sei es auf Wett- oder auf Trainigsflügen.


Ein Wort zur Geschichte:
Das Züchten von Brief- und später Reisetauben fand zuerst in den Niederlanden im 18. Jh. statt. Das Hobby des Reisetaubensports, also des „Rennsports“ aber hat seine Wurzeln in Belgien, wo 1850 das erste Flugderby von Rom aus startete. Belgien gilt als das Stammland der Taubenwettflüge schlechthin und ist auch heute noch weit über seine Grenzen hinaus für die besten Reisetauben bekannt. Ähnlich wie in Nordirland sind Taubenwettflüge in Belgien ein Nationalsport, an dem sich jeder Ort mit eigenen Clubs beteiligt. Aber nicht nur das – die Belgier sind stolz auf ihre Tauben, die insbesondere während des Zweiten Weltkrieges als Brieftauben ruhmreiche Dienste leisteten.