Ich weiß nicht wie viele Taubenvereine es in Nordirland
gibt. Auch mein Lebensgefährte, ein passionierter Taubenzüchter seit seiner
frühen Jugend, konnte mir keine genaue Zahl nennen. Fakt ist jedoch, dass das
Taubenzüchten hier weit verbreitet ist und es in fast jedem Ort, sei er noch so
klein, einen entsprechenden Club gibt. Der Taubensport ist hier – ähnlich wie
in Deutschland im Ruhrgebiet oder in Belgien - Volkssport.
Man sagt „Brieftauben sind die Rennpferde des kleinen
Mannes“. Wie die wertvollen Rennpferde, werden auch die Brief- bzw. Reisetauben
gehegt und gepflegt. Ich selbst bin zwar keine Anhängerin des Taubensports,
aber ich lasse mir die Gelegenheit nicht entgehen, regelmäßig quer durchs Land
zu fahren, um bei einem Bauer Korn für die lieben Täubchen zu kaufen. Sind die
Tierchen krank werden sie mit der besten Medizin, die man kaufen kann, fit
gemacht. Ihre Taubenschläge werden täglich gründlich gereinigt und besser instandgehalten
als das Innere unseres Hauses. Manchmal wünschte ich, ich wäre eine solche
Reisetaube – mir würde es an nichts mangeln und ich wäre sehr gut versorgt.
Nicht nur, dass das Hobby des Taubenzüchtens zeit- und
geldaufwendig ist, aber manch eine Taube ist ein wertvoller Vogel, wenn sie
seinem Besitzer nämlich Siegergewinne einbringt. Die Nachkommen solcher Tauben
werden mit Liebhaberpreisen bis zu einigen Hundert Pfund Sterling gehandelt.
Alljährlich am zweiten Samstag im April startet in
Nordirland die Taubensaison. Dann schicken die Züchter ihre Reisetauben auf
Wettflüge. Im Frühjahr sind es die Alttauben und im Sommer dann die Jungtauben,
also die, die am Anfang des neuen Jahres geschlüpft sind.
Nachdem jede einzelne, am Wettflug teilnehmende Taube
penibel genau im Club registriert wurde, geht das Nervenspiel los. Insgesamt
werden 30.000 Tauben wöchentlich in Reisekörben in einem LKW in Richtung Süden
der Insel Irland gebracht, dort frei gelassen und müssen ihren Weg zurück nach
Hause in ihren Taubenschlag finden.
Jede Woche wird die zurückzulegende Strecke länger: die
Tauben werden nach England gebracht und zu guter Letzt nach Frankreich, von wo
aus sie dann, um nach Nordirland zurückzukommen, zweimal über das Wasser fliegen
müssen, nämlich einmal über den Ärmelkanal und einmal über die Irische See.
Sind die Reisetauben erst einmal Freitagabend „eingecheckt“,
geht am nächsten Tag die ungeduldige Warterei auf Nachrichten los: Wann wurden
die Tauben freigelassen und wann werden sie Zuhause ankommen, wie ist die Windrichtung,
welche Gefahren (Unwetter oder Raubvögel) lauern auf der Flugstrecke? Da das angespannte
Warten auf die Rückkehr der Tauben völlig abhängig von den Wetterbedingungen
ist, kann es bei weit entfernten Wettflügen je nach Schlechtwetterlage sogar mehrere
Tage dauern.
Nach dem Motto „wer zuerst kommt, malt zuerst“ werden die
Reisetauben bei ihrer Ankunft am Taubenschlag mit der Taubenuhr eingestempelt
(das Prinzip ist vergleichbar mit einer Stechuhr). Dabei kommt es auf jede
Sekunde an, denn auf die Gewinner warten lukrative Geldpreise und Auszeichnungen.
Zögern oder Unaufmerksamkeit des Züchters können den Sieg
kosten. Es ist manchmal schon ein Nervenkitzel wenn eine Taube über dem
heimatlichen Taubenschlag schwebt, sich aber nicht am Schlag niederlässt, damit
man ihr den Gummiring vom Fuß abnehmen kann, um ihn schnell in die Uhr zu
stecken. Erst wenn dieser Ring nämlich in der Uhr steckt, steht auch die
Flugzeit fest.
Inzwischen hat auch
hier die digitale Welt Einzug gehalten, denn die Flugzeit wird jetzt per
Computer gemessen. Eine für viele Züchter teure und unsportliche Angelegenheit.
Zwei Stunden nachdem die erste Taube eingestempelt wurde, treffen
sich die Züchter mit den Uhren in ihrem Club, wo die Ankunftszeiten der Tauben
registriert und verglichen werden, um die schnellsten Tauben und somit die
Sieger zu ermitteln.
In der Zeit zwischen den wöchentlichen Wettflügen müssen die
Reisetauben trainiert werden. Vor allem nach den Wintermonaten müssen die Vögel
wieder an längeres Fliegen gewöhnt werden.
Das ist einfacher gesagt als getan,
denn auch dazu müssen geeignete Wetterbedingungen herrschen. Nichts ist
schlimmer als wenn die Tauben während eines Trainingfluges z.B. in einen
Hagelsturm geraten und nicht mehr nach Hause kommen. Schon manch ein Züchter
hat in einem Jahr seine kleine Zucht ziemlich dezimiert oder gar verloren – sei
es auf Wett- oder auf Trainigsflügen.
Ein Wort zur
Geschichte:
Das Züchten von Brief- und später Reisetauben fand zuerst in
den Niederlanden im 18. Jh. statt. Das Hobby des Reisetaubensports, also des
„Rennsports“ aber hat seine Wurzeln in Belgien, wo 1850 das erste Flugderby von
Rom aus startete. Belgien gilt als das Stammland der Taubenwettflüge
schlechthin und ist auch heute noch weit über seine Grenzen hinaus für die
besten Reisetauben bekannt. Ähnlich wie in Nordirland sind Taubenwettflüge in
Belgien ein Nationalsport, an dem sich jeder Ort mit eigenen Clubs beteiligt. Aber
nicht nur das – die Belgier sind stolz auf ihre Tauben, die insbesondere
während des Zweiten Weltkrieges als Brieftauben ruhmreiche Dienste leisteten.
Das war sehr interessant. Bei uns im Ort gab es auch einen Taubenzüchter. Er hatte sehr schöne Tauben und ich bin immer stehen geblieben und habe geschaut wenn die Tauben auf dem Taubenschlag saßen. Leider hat er altershalber die Taubenzucht aufgegeben. Ich wünsche euch das eure Tauben von jedem Flug unversehrt zurück kommen.
ReplyDeleteLiebe Grüße vom Emma und Lotte Frauchen
Danke für den so interessanten Bericht, einfach wundervoll. Liebe Grüße Silvia
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